Über die Artikelserie »Wie tickt die christliche Gen Z in Deutschland?«

Über die Artikelserie »Wie tickt die christliche Gen Z in Deutschland?«

Die Gen Z ist in aller Munde, den Medien und auch in der christlichen Jugendarbeit. Wer über diese Generation datenbasiert Genaueres wissen will, schaut in die USA oder nach UK. Oft beziehen sich Umfragen nicht konkret auf die christliche Szene. Wie tickt sie wirklich, die christliche Gen Z in Deutschland? Thorsten Attendorn hat am Barna Church CoLab »Discipling Gen Z« teilgenommen und hat selbst eine Befragung von fast 1000 jungen Christinnen und Christen der Gen Z in Deutschland durchgeführt. In dieser Artikelserie teilt er Einsichten und Impulse aus dem CoLab und stellt die Ergebnisse seiner Umfrage zur Diskussion.

Der Glaube der christlichen Gen Z in Deutschland: Ehrlich, wachsend, fest, hoffnungsvoll, aber auch schwach und problematisch.

Die »christliche Gen Z in Deutschland« ist sehr gläubig – entgegen dem gesellschaftlichen und generationellen Trend. Wie sieht dieser Glaube aus? Was ist den jungen Christinnen und Christin selbst wichtig an ihrem Glauben?

Eine Generation in (und oftmals: nach) der Glaubenskrise

In der westlichen Gesellschaft und gerade in den jüngeren Generationen erodiert der christliche Glaube. Viele Angehörige der Gen Z erleben Glaubenskrisen. Wenn dann im Glaubensumfeld Hilfe gesucht, aber nicht gefunden wird, etwa weil Fragen nicht beantwortet und Zweifel tabuisiert werden, verstärkt sich die Not. Manche dekonstruieren ihren Glauben bewusst – was nicht per se negativ sein muss, aber oft dazu führt, dass der aktive Glaube zumindest zeitweise abhandenkommt.

Die Daten, die Savannah Kimberlin im Church CoLab präsentiert,[1] zeigen einen Anstieg derer, die sich zu keinem Glauben bekennen (»no faith«) in der US-Gen Z auf 25%. In Deutschland sind rd. 40% der Gen Z »no faither«. Notleidend ist der Glaube der Gen Z auch insofern, als 50% der globalen Gen Z bejahen, dass sie durch eine längere Phase gegangen sind, in der sie ihren Glauben mehr oder weniger stark angezweifelt haben. Zugleich sehnen sich insgesamt rd. 70% nach einer Gemeinschaft, in der sie offen über ihren Glauben reden können.

Zoom Webinar-Einladung: Wie tickt die christliche Gen Z in Deutschland? Mit Thorsten Attendorn

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Wann: 23. Mai 2024 10:00 Uhr
Thema: Wie tickt die christliche Gen Z? Mit Thorsten Attendorn

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Wie kann der Glaube relevant und kraftvoll werden?

Wie kann Gemeinde in dieser Misere helfen? Wie schon Kara Powell,[2] weist auch Matt Manno (Student Pastor in der New Life Fellowship und verantwortlich für Next Gen Ministries bei Emotionally Healthy Discipleship) darauf hin:

Wenn man mit dieser Generation relevante Kommunikation führen möchte, sollte man ihr keine fremden Begriffe und Konzepte »überstülpen«, sondern vielmehr an ihre eigenen Begriffe und Denkmuster anknüpfen: Wenn sie beispielsweise selbst nicht in relevantem Ausmaß von Dekonstruktion spricht, muss dieses Konzept auch nicht explizit bespielt werden. – Matt Manno

Zugleich ist gerade dann, wenn es um Fragen und Zweifel geht, ist ein geschütztes Umfeld mit passenden Gesprächspartnern und -formaten von Nöten. Nimmt man die Sichtweise der Gen Z, so beschreibt diese ihre Spiritualität als wachsend, offen, motiviert etc.; in diesen Konzepten bieten sich gute Anknüpfungspunkte, um dem Glauben auf- und weiterzuhelfen.

Denkt man über den Stellenwert und die Kraft des Glaubens nach, spielt m.E. auch der Zugang zur Bibel und zu Jesus eine Schlüsselrolle:[3]

Lisette Fraser (Coach am Fuller Youth Institute und Tenx10) und Shane Sanchez (Director of High School Content des auf die next generation fokussierten christlichen Verlags Orange) appellieren, dass man die Bibel nicht nur »verstehen«, sondern sie (und insbesondere Jesus) »erleben« möchte. Die Verbindung der Bibel mit dem praktischen Leben, mit den Bedürfnissen, Erwartungen und Hoffnungen dieser Generation ist wichtig.

Keithen Schwahn, Youth Pastor der Church for the City New York, stellt Jesus in den Mittelpunkt nach der Devise »Kommt und seht« (Joh 1,39): Jesus vorstellen als die Person, die die Antwort auf meine Sehnsüchte ist; Beziehungen bauen und dann Jesu verändernde, transformierende Kraft vermitteln, einschließlich der Rolle, die den jungen Menschen dabei zukommt – das sind aus seiner Sicht bewährte Herangehensweisen, die Jesus die zentrale Rolle und Überzeugungskraft zuweisen.

Christliche Gen Z in Deutschland: Wachsender Glaube mit Stärken und Schwächen

Entgegen dem in dieser Generation vorherrschenden Trend ergibt die Umfrage unter der christlichen Gen Z in Deutschland, dass über 80% von ihnen der Glaube zuletzt wichtiger geworden ist. 80-90% der Befragten sind gläubig, haben eine nachhaltige Lebensentscheidung für Jesus getroffen, sind regelmäßige und intensive Bibelleser und loyale Gemeindebesucher.[4]

Wie sieht dieser Glaube nun konkret aus? Wie »glaubt« dieses besonders gläubige Segment der christlichen Gen Z in Deutschland?

Ehrlichkeit ist Trumpf, Korrektheit ist nicht so wichtig

Das Wichtigste an ihrem Glauben ist für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ehrlich zu sein (64%).[5] Dieser Ausschlag der »Kompassnadel« in Richtung der vielgefragten Authentizität überzeugt. Vor die Wahl gestellt, geben die Befragten der Ehrlichkeit deutlich den Vorrang gegenüber der Korrektheit und Informiertheit (je rd. 15%) sowie der Offenheit und Neugier (je 5%). Dass Ehrlichkeit Trumpf ist, ist bei dieser Umfrage noch viel ausgeprägter als bei Barnas Open Generation-Umfrage: Das Ehrlichsein ist auch dort Spitzenreiter, punktet aber nur halb so stark.

Die Haltung zur Offenheit ist ambivalent: Offen zu sein, hat in dieser Generation einen großen Stellenwert (s. noch unten). Vor die Wahl gestellt, ob Sicherheit oder Offenheit im Glauben wichtiger ist, entscheiden sich die Teilnehmenden zwar mehrheitlich (55%) für »sich seines Glaubens sicher zu sein«, aber für 45% ist die »Offenheit, wohin der Glaube führt« wichtiger (bei der Open Generation: 70% Offenheit zu 30% Sicherheit).[6] Interessant: Wenn es zum Schwur kommt, wenn zwischen Offenheit und Ehrlichkeit zu entscheiden ist, ist ihnen die Ehrlichkeit wichtiger. Hier kann angeknüpft werden, um junge Glaubende in ihren vorhandenen, ehrlichen Überzeugungen zu bestärken.

Nachdenklich macht allerdings die vergleichsweise geringe Bedeutung der Richtigkeit (Korrektheit und Informiertheit) des Glaubens. Zwar steht unter dem, was die Befragten im Glauben suchen/haben, die Wahrheit durchaus hoch im Kurs (85%, s.u.). Man kann also nicht schlussfolgern, dass der Inhalt des Glaubens beliebig sei – aber doch, dass im Zweifel die ehrliche Variante den Vorzug bekommt vor der (vermeintlich) richtigen oder informierten.

Nun ist Wahrheit zentral für den christlichen Glauben, will erkannt, gelebt und weitergegeben werden. Was heißt das Mindset der Gen Z für eine Verkündigung, die an der Wahrheit ausgerichtet ist? Wenn auf der Welle der Richtigkeit und Wahrheit gefunkt wird, die Antennen der Empfänger aber nicht auf Korrektheit und Informiertheit eingestellt sind, sondern auf Ehrlichkeit – sollte sich der »Sender« da neu kalibrieren?

Offenbar ginge ein Dienst, der ausschließlich an der dogmatischen »Richtigkeit« ausgerichtet wäre und aufrichtige Fragen und Zweifel nicht zuließe, an den Bedürfnissen (und m.E. ohnehin an einem nach biblischen Maßgaben nützlichen Dienst) vorbei. Ähnlich wichtig ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit begründeten anderen Auffassungen, gerade auch bei »heiklen« Themen; ebenso gesund ist die Erfahrung von Echtheit (auch bei Fehlern) statt Heuchelei.

Wer denkt, beim Glauben gehe es in erster Linie um Sinn …

… der täuscht sich (leider). Erfreulich ist: 44% der Befragten bejahen »stark« Sinn und Bedeutung im Leben. Diese Zahl bleibt jedoch hinter den Zahlen der US practicing Christians (69%) sowie der Bibel-engagierten Gen Z (84%) weit zurück. An anderer Stelle gefragt, was sie im Glauben suchen oder haben,[7] nennen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage in erster Linie (jeweils um 85%) Wahrheit, Hoffnung, Vergebung, inneren Frieden, dann Wachstum und Heil (um 80%) - erst danach folgen Zweckbestimmung (»purpose«) und Führung (um 70%), Sinn (»meaning«) und Heilung (rd. 65%).

Bei allen Antworten punkten die Befragten deutlich höher (doppelt bis vierfach) als erwachsene US-Christen, was verdeutlicht, dass sie umfangreiche Erwartungen bzw. Erfahrungen mit dem Glauben verbinden. Doch überrascht mich das ziemlich schwache Abschneiden des »Sinns«. Ich gehöre zu den Christen, für die die Kohärenz des christlichen Glaubens, das Sinnerleben, essentiell ist: Der Sinn im Glauben ist eines der überzeugendsten Argumente, eine Frieden spendende Antwort auf unlösbare Fragen oder widrige Erfahrungen und auch eine starke Motivation für das persönliche Lebensglück. Von dieser Warte betrachtet, interessiert mich: Ist »Sinn« schlicht nicht mehr hoch im Kurs? Wurde dieses existentielle Konzept menschlichen Daseins vollends weg-relativiert oder -subjektiviert? Fehlen apologetische Argumente? Vermisst man die persönliche Sinn-Erfahrung? »Mehr Sinn« ist bekanntermaßen auch ein Beitrag zu mehr mentaler Gesundheit und mehr Lebensglück.

Der Glaube ist vor allem eines: »Wachsend«

Eine der spannendsten Fragen dieser Umfrage war für mich diese: »Mit welchen Worten würdest du deine Spiritualität beschreiben?«. Dass »offen« stark punktet, hatte ich bei dieser Generation vermutet, war aber gespannt, ob und wie sich die starke Verankerung der Befragten in der Bibel und ihre hohe Gemeindeloyalität möglicherweise auswirkt. Beim ersten Einblick in die Ergebnisse staunte ich: Die Selbstcharakterisierung ihres Glaubens ist vor allem »wachsend« (82%), die weiteren Top 5 sind »erforschend« (50%), »offen« (37%) und »neugierig« (34%) sowie »sicher« (32%).[8] Im Vergleich mit den nominellen Christen aus der Open Generation fällt zweierlei ins Auge: Die Werte der christlichen Gen Z in Deutschland liegen bei »wachsend« und »erforschend« sehr deutlich höher, bei »spirituell« und »religiös« erheblich niedriger als bei jenen.

Mich freut, dass viele ihren Glauben als »wachsend« charakterisieren: Wer wächst, befindet sich in einem positiv ausgerichteten Entwicklungsprozess. Man hat ein Ziel, aber das Ziel ist noch nicht erreicht. Unvollkommenheiten, Defizite, Fehler sind selbstverständlich, an ihnen kann man zielbewusst arbeiten. Dieser Prozess benötigt Zeit, Geduld, Fürsorge. An jemanden, der sich noch im Wachstum befindet, kann kein Perfektionsanspruch gestellt werden. Es ist ein fördernder, konstruktiver, hoffnungsvoller Umgang gefragt, wie Paulus bei den Philippern zuversichtlich war, dass Gott, der ein gutes Werk in ihnen begonnen hatte, es auch vollenden würde (Phil 1,6). Dieses Verständnis kann entlastend wirken gegenüber problematischem, selbst- und fremderzeugtem Druck sowie ungesunden Gottes- und Selbstbildern. In Bibelarbeiten und Predigten lässt sich die Metapher vom »Wachstum« auch sehr gut anhand biblischer Konzepte reflektieren:

  • der Baum mit seinen Wurzeln, Blättern und Früchten (u.a. Jer 17) oder der Weinstock mit dem »Mechanismus« des Fruchtbringens aus dem Bleiben in Jesus und der Vermehrung durch Reinigung (Joh 15);
  • die Baustelle mit ihrem Fundament, den Steinen, den Bauarbeitern und der Zweckbestimmung des Gebäudes (Phil 1; bezogen auf die Gemeinde z.B. Eph 2; 1.Pet 2);
  • der Weg, auf dem Fortschritte und Erfahrungen gemacht werden (z.B. Phil 3; 1.Pet 2; Heb 12);
  • der Glaubende als Teil der Familie Gottes, in der jede und jedes sich in einem Reifungsprozess mit den Stadien vom Kind zum Erwachsenen und zum »Vater« befindet (1.Joh 2);
  • der aspekte- und schrittweise Veränderungsprozess, Jesus ähnlicher zu werden (u.a. 2.Kor 4; Röm 8).

Interesserweise weicht die Selbstbeschreibung der Befragten zum Teil deutlich ab von ihrer Einschätzung, wie andere sie wohl wahrnehmen:[9] In der (vermuteten) Fremdwahrnehmung wählen sie am häufigsten »entschieden« (38%), während Begriffe wie »erforschend« oder »offen« viel seltener auftauchen als in ihrer Selbstcharakterisierung. Tut sich da ein Spannungsfeld auf, dass die Befragten ihren Glauben nicht so offen leben, wie sie ihn selbst einschätzen? Oder betrachten sie sich als offener, als sie es tatsächlich gegenüber anderen sind?

Gefestigt, aber doch schwach

Angesichts der Glaubenskrise, die nach Barna-Daten rd. 50% der Gen Z bereits erlebt haben, bezeichnen die Befragten der christlichen Gen Z in Deutschland ihren Glauben erfreulich (und im Vergleich zu nominellen Christen der Offenen Generation überdurchschnittlich) oft als »sicher« (31%) sowie als »reif« oder »konstant« (je rd. 25%). Es sieht so aus, dass das Glaubensprofil aus bewusster Beziehung zu Jesus, starkem Bibelbezug, wachsender Relevanz des Glaubens und Gemeindebesuch vielen jungen Christen eine größere Sicherheit vermittelt. Gleichwohl ist festzustellen, dass diese positiven Werte jeweils nur von ¼ bis 1/3 der Befragten bejaht werden. Nicht übersehen werden sollten auch bis zu 10-15% der Befragten, die jeweils angegeben haben, dass ihr Glaube »verwirrt«, »unsicher«, »skeptisch« oder »orientierungslos«, überdurchschnittlich oft auch »zweifelnd« sei. Nur 4% der Befragten (das sind immerhin 43 Personen) verfolgen oder erleben eine so benannte Dekonstruktion ihres Glaubens.

Auffällig ist auch ein überdurchschnittlich hoher Einzelwert für »schwach« (mit rd. 20% mehr als doppelt so hoch wie bei den nominellen Christen der Offenen Generation). Was meint man damit, wenn man sich einen »schwachen« Glauben attestiert?

  • Ist »schwach« einfach die natürliche Kehrseite von »wachsend«, meint also die Unvollkommenheit, das noch nicht Ausgereifte des Glaubens? Wäre es dann nicht gut, die Perspektive vom Defizit- zum Wachstumsdenken zu wechseln?
  • Ist Schwäche gegenüber Versuchungen, Angriffen gemeint? Nach dem Fallen kann man wieder aufstehen und mit Gottes Kraft stehen; Rückschläge gehören dazu, sollten nicht das Selbstbild prägen.
  • Könnte die »geistliche Performance« schwach sein, gemessen an einem Muster aus der Bibel, einer echten oder vermeintlichen »best practice« aus dem Glaubensumfeld oder dem eigenen Anspruch? Hier stellt sich die kulturelle Frage nach Anspruch oder Zuspruch, das Verständnis von Vergebung, Wachstum, von einer Gottesbeziehung, die nicht auf Leistung, Treue oder Perfektion beruht, sondern auf Gnade, in der man wachsen, sich verändern und Fortschritte machen kann.
  • Oder ist »Schwäche« zu verstehen im Sinne eines bedenklichen Generationentopos, dass Schwäche statt Stärke eine Selbstzuschreibung bis hin zu einem Identitätsmerkmal darstellt? Die Bibel kennt beide Seiten: Sie ermutigt stark zu sein im Glauben und in Gottes Kraft (1.Kor 16,13; Eph 6,10), zeigt aber auch das Vorbild des Paulus, ehrlich zu seiner persönlichen Schwachheit zu stehen, was den Kanal öffnet für Gottes Kraft (2.Kor 12,10).

Glaubenssätze

Barna hatte die Möglichkeit eingeräumt, eigene Fragen in die Umfrage aufzunehmen, und so habe ich einige »Glaubenssätze« abgefragt, die auch von Bedeutung sein können für die emotionale Gesundheit.[10] Die meisten Glaubenssätze bewegen sich in theologischen und seelsorgerlichen Spannungsfeldern. Es wäre also nötig, thematisch tiefer einzusteigen und im persönlichen Gespräch auf die Gedanken und Empfindungen der jeweiligen Person einzugehen. Ich möchte hier nur die Umfrage-Ergebnisse vorstellen und mich auf wenige Anregungen beschränken:

  • Fast alle haben ein klares Bewusstsein des persönlichen Interesses, das Gott für sie hat.[11] Dies ist fundamental wichtig: Entgegen dem gesellschaftlichen Trend ist für die Befragten Gott existent, und nicht bloß als eine diffuse Kraft, sondern sie erkennen ihn als Person, haben eine persönlichen Beziehung zu ihm und sind sich bewusst, von Gott individuell als persönliches Gegenüber wahrgenommen zu werden (vgl. Ps 139; 1.Mo 16,13). Gottes Interesse ist ein wohlwollendes, ein fürsorgliches und behütendes Interesse, das Wachstum fördert und gesunde Grenzen setzt (vgl. Ps 23; Joh 10; 1.Pet 5,5f.).
  • Angesichts der großen Bedeutung, die Gottes Liebe zu den Menschen (Joh 3,16) und die Liebe des Vaters zu seinen Kindern (1.Joh 3; Joh 16,27) hat, verwundert es, dass »nur« etwa die Hälfte der Befragten bejaht, dass sie liebenswert sind.[12] Möglicherweise hapert es weniger an der Kenntnis über Gottes Liebe, als an der gering ausgeprägten Ankerkennung des eigenen Werts.[13] Die Aussage »weil du kostbar, wertvoll bist in meinen Augen und ich dich lieb habe« (Jes 43,4), die Gott über Israel macht, ist auch für die heutige christliche Gen Z in Deutschland anwendbar Niemand ist »wertlos«, sondern wir alle haben als Geschöpfe (Ps 139), als sein Werk zu guten Werken Berufene (Eph 2,10), als Erlöste (Jes 43,1; Eph 1,5ff.), als Gottes Kinder (1.Joh 3,1f) usw. einen individuellen, von Gott zugesprochenen und in ihm verankerten und damit von Fremd- sowie Selbstwahrnehmung unabhängigen Wert.
  • Knapp 40% schließen nicht aus, dass Gott sie überfordern könnte,[14] etwa 1⁄3 hat Angst zu sündigen (32%),[15] 1⁄6 meint, dass Gott sie verlässt, wenn sie ihm nicht folgen.[16] Hier kommen Prinzipen wie Gottes Annahme in Christus (Röm 15,17; 1.Joh 3,1f.), seine Barmherzigkeit, seine Schutz und Fürsorge, sein Trost (Heb 4,16; 13,5f; Ps 18 + 118; Mt 6; 2.Kor 1), die ewig unverlierbare Vergebung (Eph 1; Kol 1) und Gottes Treue zum Tragen (1.Kor 10,13): »wenn wir untreu sind, er bleibt treu« (2.Tim 2,13), nichts kann seine Kinder von ihm trennen (Röm 8). Zur Heiligkeit berufen zu sein (1.Pet 1) bedeutet nicht, Angst vor der Sünde zu haben – diese hätte es mit Strafe zu tun. Solche Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die Vergebung, die Gotteskindschaft, die vollkommene Liebe treiben die Furcht aus, beheimaten bei Gott und machen freimütig (1.Joh 4; Heb 10; Eph 2,18 ff.). Angesichts des überdurchschnittlichen Perfektionsdrucks der Befragten[17] könnte es sein, dass manche einen Maßstab der Vollkommenheit verfolgen, aber der Vergebung und dem Gedanken von Wachstum und Reifung nicht den richtigen Platz einräumen. Möglicherweise strahlen Furcht bzw. Anspruch/Druck auch in soziale Beziehungen sowie in das Selbstbild aus.
  • Nicht wenige junge Christinnen und Christen sehen sich als Versager (rd. 25%)[18] oder Außenseiter (rd. 15%);[19] 1⁄5 benötigt die Zufriedenheit Anderer, um glücklich zu sein;[20] (nur) 1⁄3 »können eigene Entscheidungen treffen«.[21] Die Abhängigkeit von und Verbundenheit mit Gott, dem Schöpfer und Erhalter, kann seine Geschöpfe darin stärken, sich nicht von anderen Menschen abhängig zu machen. Dem Empfinden von Scham kann mit einer gefestigten Identität in Christus begegnet werden. Die bedingungslose Annahme von Gott wird auch durch eigene Schwächen und Fehler nicht in Frage gestellt. Gott stellt vorwurfslos Weisheit bereit, wenn wir unseren Mangel vor ihn bringen (Jak 1). Jesus sprach im Gebet mit seinem Vater sehr wohlwollend über seine fehlbaren Jünger, auch wenn situativ konstruktive Kritik und klare Zurechtweisung nötig waren (Joh 17). Zum anderen: Jede/r ist persönlich berufen, sein/ihr Leben verantwortlich zu leben, zu wachsen und zu reifen (Kol 1,28; 4,12). Jede/r ist mit einer spezifischen Ausstattung in den Leib der Gemeinde gestellt (etwa 1.Kor 12), in eine persönliche Beziehung und individuelle Jüngerschaft mit Jesus berufen: »Was geht der andere dich an – folge du mir nach!« (Joh 20; vgl. Röm 14; etc.).
Viele sind überzeugt vom persönlichen Interesse Gottes, aber einige haben auch negative Glaubenssätze in Bezug auf Gottes Liebe, Barmherzigkeit und Treue rund um Themen wie Schuld, Scham, Perfektion, Selbstwert und -wirksamkeit. – Thorsten Attendorn

Hoffnungsstark

Mich interessierte auch, wie eine krisengebeutelte Generation zur »Hoffnung« steht. Gesellschaftlich ist die Hoffnung im Abschwung: Je nach Umfrage hat der Optimismus innerhalb eines Jahres um zwanzig Prozentpunkte auf 45% abgenommen (die jüngeren Generationen schneiden meist noch etwas besser ab). Die Zuversicht, dass es uns in 5 Jahren besser ginge, ist in zwei Jahren von über 50% auf 15% abgestürzt. Im September 2023 waren 81% »eher beunruhigt« von den derzeitigen Verhältnissen in Deutschland.

Die Antworten auf meine fünf Fragen sind ermutigend:

  • »Hoffnung« ist wichtig fürs Leben – das sagen fast alle, und sie sind auch (sehr) hoffnungsvoll (90%); Hoffnung ist auch mit am höchsten bewertet bei den Dingen, die man im Glauben hat oder sucht (84% bejahen dies)
  • Ihre Hoffnung setzen die jungen Glaubenden vor allem[22] auf Gott (98%), deutlich vor Freunden (63%), Eltern (47%) und »sich selbst« (25%). Auffällig ist die sehr wenig ausgeprägte gesellschaftliche Komponente der Hoffnung, denn Politiker/Regierung, Wissenschaftler, aber auch die junge Generation liegen zwischen 0% und 4%.
  • Sie betätigen ihre Hoffnung[23] durch Gottvertrauen und Beten (92%); dies rangiert deutlich vor dem Reden mit Freunden und Familie (66%) und anderen Aktivitäten wie Nachdenken und Analysieren (42%), Lesen und Recherchieren (36%) oder Verantwortung übernehmen und entsprechend Handeln (33%).
  • Die Befragten erfahren eine Bestärkung ihrer Hoffnung[24] vor allem durch praktische Glaubenserfahrungen, nämlich Erfahrungen von Gottes Hilfe (80%), das Empfinden, dass Gott mir nah ist (80%), Verheißungen/Bestätigung der Bibel (74%) und Gebetserhörungen (72%). Dahinter folgen Freundschaften (62%), Familie (49%[25]), Natur (50%) und Musik (47%). Soziale und altruistische Dimensionen haben weniger Bedeutung: Gutes zu tun (30%), Dankbarkeit von Leuten zu empfangen, denen man geholfen hat (32%) oder von anderen Leute Hilfe erlebt zu haben (32%). Am Ende der Liste liegen Selbstwirksamkeitserfahrungen wie ein schwieriges Problem gelöst zu haben (25%), Erfolg in der Schule/im Beruf (25%) oder sportliche Grenzen überschritten zu haben (10%).
Die christliche Gen Z in Deutschland ist sehr hoffnungsstark; ihre starke Hoffnung auf Gott wurzelt in der Bibel und wird durch Erfahrungen bestärkt; demgegenüber treten Selbstwirksamkeit und soziale Hoffnungsaspekte in den Hintergrund. – Thorsten Attendorn

Ich finde es ermutigend, eine starke Hoffnung zu sehen, die in der Bibel verankert ist, durch Gebet ausgedrückt wird und durch Erfahrungen Bestätigung findet. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass dieses Vertrauen auf Gott nicht zu Lasten der Selbstwirksamkeit geht. Im Glauben sind beide Aspekte wichtig: Vertrauen und Verantwortung, Gottes Wirken und eigenes Denken und Tun. Nachdenklich stimmt mich deshalb die geringe Ausprägung der »aktivitäts-/motivationsbezogenen« sowie zum Teil auch der sozialen Komponenten. Dies scheint sich in das Bild zu fügen, das sich auch zu dem Selbstbild sowie den emotionalen und sozialen Aspekten des Glaubens ergab.[26]

Fazit und Next Steps

Kurz zusammengefasst: Charakteristika der christlichen GenZ in Deutschland – Episode 4

  • Glaube bedeutet bei der christlichen Gen Z in Deutschland sehr ausgeprägt Ehrlichkeit, Wachstum, Neugier/Forschen, erfreulich viel Sicherheit und Reife
  • Glaube ist bei etlichen auch schwach, schmerzhaft, verwirrt
  • hohe Erwartungen an den Glauben (Wahrheit, Hoffnung, Vergebung, Friede, Wachstum), dahinter tritt die Sinnorientierung zurück
  • viele sind überzeugt vom persönlichen Interesse Gottes, aber einige haben auch negative Glaubenssätze in Bezug auf Gottes Liebe, Barmherzigkeit und Treue rund um Themen wie Schuld, Scham, Perfektion, Selbstwert und -wirksamkeit
  • die christliche Gen Z in Deutschland ist sehr hoffnungsstark; ihre starke Hoffnung auf Gott wurzelt in der Bibel und wird durch Erfahrungen bestärkt; demgegenüber treten Selbstwirksamkeit und soziale Hoffnungsaspekte in den Hintergrund

Sprungbrett in die eigene Jugendarbeit
Folgende Fragen können helfen, die Ergebnisse der Umfrage in der eigenen Jugendgruppe zu verifizieren und die Themen vertiefend zu besprechen:

  • Was denkst Du: Bist du liebenswert?
  • Was passiert, wenn du sündigst – geht Gott dann noch mit dir?
  • Warum ist es wichtig, dass der Glaube »ehrlich« ist? Welche Fragen und Wünsche hast du in Bezug auf »ehrlichen Glauben« an Deine Gemeinde?
  • Suchst du im Glauben die Wahrheit?
  • Was verstehst du unter einem »wachsenden« Glauben? Was hilft deinem Glauben konkret zu wachsen? Was hemmt Wachstum?
  • Worin zeigt sich ein »offener«/»neugieriger«/»erforschender« Glaube? Was ist positiv, was evtl. auch negativ?
  • Ist es erstrebenswert, einen »festen« Glauben zu haben? Was kann den Glauben erschüttern, und wie gelangt man zu Stabilität?
  • Wenn du deinen Glauben als »schwach« betrachtest – wie würde Jesus das kommentieren?
  • Wie hoffnungsvoll bist du? Welche Rolle spielt dabei Gott, und welche deine eigene Verantwortung für deine Zukunft?

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Ressourcen


[1] S. Episode 1.

[2] S. Episode 2.

[3] S. dazu noch Episode 5.

[4] S. Episode 1.

[5] Fragestellung: »Which of the following traits of your faith is most important to you?«; Antworten: »being honest«, »being knowledgeable/informed«, »being correct«, »being open to new ideas«, »being curious«.

[6] Fragestellung: »As far as your beliefs are concerned, which of the two is more important to you personally?«; Antworten: »being certain about my own religious beliefs«, »being open to where my faith leads me«.

[7] Fragestellung: »When you consider your beliefs, what would you say you are having or looking for? Select all that apply.«

[8] Fragestellung: »Which of the following words would you use to describe your spirituality? Select up to ten.«

[9] Fragestellung: »If a person knew everything about your spiritual beliefs, which of the following words would they be most likely to use to describe you spiritually? Select one.«

[10] Fragestellung: »Do you agree with these statements? Select all that apply.«

[11] »God is personally interested in me.«

[12] »I am worthy to be loved.«

[13] S. Episode 2.

[14] »God would not overburden or overstrain me.«

[15] »I am afraid to commit a sin.«

[16] »God is not with me, if I do not follow him.«

[17] S. Episode 2.

[18] »I am a failure.«

[19] »I am an outsider.«

[20] »To be happy, I need others who are content with me.«

[21] »I can take my own decisions.«

[22] Fragestellung: »Who gives you hope?«

[23] Fragestellung: »What are you doing in order that your hope is fulfilled?«

[24] Fragestellung: »What has recently strengthened your hope?«

[25] Erinnerungen an eine glückliche Kindheit stärken noch 18%.

[26] S. Episode 2.

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